Radsport-Reporterin Roswitha Hildegard berichtet live für Mutti, der Libero aus Saint Louis de Funes.
Es sollte die Tour der neuen Gesichter werden in diesem Jahr, doch mit dem rotwangigen Gesicht von Herbert Koslowski aus Recklinghausen dürfte wohl kaum jemand gerechnet haben. Völlig überraschend trägt der ehemalige Fleischermeister vom Team „Ernte 23“ derzeit das Gelbe Trikot des Gesamtführenden auf der „Großen Schleife“. Die internationale Fachpresse ist einhellig entzückt über den „herrlich lockeren Fahrstil““(L’Equipe) des unbekannten Deutschen e-Bike-Fahrers.
Für Koslowski selbst steht das Sportliche jedoch nicht im Vordergund: „Ich bin vor allem wegen der schönen Landschaft und den vielen prachtvollen Schlössern dabei“, gesteht der 55-Jährige, der sich erst vor sechs Wochen beim hochprozentigen Frühjahrsklassiker Merlot-Pilsen-Slibowitz für die Tour de France qualifizieren konnte.
In Frankreich erlebte er bereits auf der dritten Etappe einen ersten Schockmoment. „Ich habe nach 20 Kilometern gemerkt, dass ich meine Fluppen vergessen hatte“, erzählt Koslowski und schüttelt – immer noch ungläubig ob dieses Missgeschicks – den Kopf. „Da bin ich noch mal umgedreht. Zum Glück konnte ich die Lücke hinterher wieder zufahren.“
Abgesehen von diesem Dämpfer, behält der Sportinvalide stets seine gute Laune. Selbst auf den steilen Anstiegen trägt er ein leichtes Schmunzeln um die Lippen.
Seine Versorgungsstation heißt Helga
Klar, dass bei derart aufreizender Leichtigkeit schnell die üblichen Fragen aufkommen. Doch mit einem Körperfettanteil von 68 Prozent ist Koslowski über jeden Zweifel erhaben. Völlig frei von Drogen ist aber auch er nicht: „Ich sach‘ immer: Meine roten Blutkörperchen heißen Beaujolais und Spätburgunder“, erklärt Koslowski feixend. Sein heiseres Lachen mündet routiniert in einen ausgedehnten Raucherhustenanfall.
Die wichtigste „Versorgungsstation“ bei der Tour ist für den aufgedunsenen Vorruheständler seine Ehefrau Helga: Vor jeder Etappe stopft sie ihrem Herbert liebevoll Leberwurstbrote und hart gekochte Eier in die Satteltaschen. Derart ausgestattet geht Koslowski fröhlich pfeifend an den Start.
Für die bevorstehenden Alpenpässe hat Helga zusätzlich zwölf Pfund Mettwürstchen und sieben Liter Mariacron in petto. Der Asphalt vor Alpe d‘ Huez ist auch schon mit rührender Ruhrgebietspoesie präpariert.
„Quäl‘ dich, Herbert, du alte Scheiße“, lautet die Botschaft in knallweißer Acrylfarbe an den Favoriten aus Recklinghausen.
Doch dort oben, kurz vor dem Ziel, wird dieser schon längst im Tunnel sein.
(Bild: Grayskullduggery/flickr.com/CC BY-SA 2.0)