Erster Fußball-Profi outet sich: „Habe noch nie Playstation gespielt“

Mirko* ist Profi-Fußballer und spielt in der Bundesliga. Aber Mirko ist kein normaler Kicker. Er interessiert sich für Kultur, geht gerne in Museen und liest in seiner Freizeit gedruckte Bücher. Bei Mutti, der Libero gibt er erstmals öffentlich zu: „Ich habe noch nie Playstation gespielt.“

Mirko* bezahlt zwei Brennpunkt-Kids dafür, dass sie regelmäßig zum Spielen vorbeikommen. Eine unbenutze Konsole würde auffallen.

Mirko* bezahlt zwei Brennpunkt-Kids dafür, dass sie regelmäßig zum Spielen vorbeikommen. Eine unbenutze Konsole würde auffallen.

Es war lange nicht klar, ob dieses Treffen überhaupt stattfinden wird. Immer wieder wurde es Mirko zu heiß. Immer wieder kam eine Absage in letzter Minute. Aber Mutti, der Libero hat sich in den letzten Monaten gekonnt das Vertrauen des ungewöhnlichen Sportlers erschlichen.

Dennoch ist Mirko nervös. Er fürchtet sogar das Ende seiner Karriere, wenn Mitspieler und Fans von seinen wahren Freizeitinteressen erfahren sollten. „Ein Fußballer, der seine Freizeit nicht mit Konsole-Zocken, Sportwetten und Internet-Pornos verbingt, den darf es für viele einfach nicht geben“, sagt er mit leiser Stimme.

Aber wie schafft man es als jemand, der ganz anders ist, so lange unentdeckt zu bleiben? „Es ist ein ständiges Versteckspiel. Ich muss immer auf der Hut sein, nicht in eine FIFA-12-Session zu geraten und mir immer neue Ausreden ausdenken.“

Mirko besitzt natürlich eine Playstation. Zur Tarnung. Sie steht gut sichtbar in seinem Wohnzimmer. Er bezahlt zwei Brennpunkt-Kids dafür, dass sie regelmäßig zum Spielen vorbeikommen. Eine unbenutze Konsole würde auffallen. Über beliebte Spiele wie Call of Duty oder Gran Tourismo informiert er sich im Internet, um im Mannschaftskreis mitreden zu können.

„Gleichzeitig muss ich höllisch aufpassen, wenn ich in einem Cafe sitze und ‚Die Zeit‘ lese. Jederzeit kann ein Klatsch-Reporter oder ein Mitspieler vorbeikommen.“

Maskerade mit billigen Schmuddelheftchen

Normalität leben, für Mirko ein Spiel mit dem Feuer. Aber er kennt auch andere in der Liga, die sein Schicksal teilen. „Natürlich, von dem ein oder anderen weiß man, dass er auch Abitur haben soll. Aber da wird nicht offen drüber geredet.“

Manchmal hat Mirko einen Traum. In diesem Traum ist es Samstagabend. Mit vielen Hundert anderen Menschen geht er einfach so in die Oper. Don Giovanni. Die Karten hat er spontan gekauft.

Ein anderer Traum geht so: Er liegt im Stadtpark und ließt „Der Spieler“ von Dostojewski. Niemand fotografiert ihn. Niemand fragt, was er dort macht. „Träumen darf man ja“, sagt er und lacht verächtlich. Er muss jetzt los.

In der Morgendämmerung kauft Mirko noch ein billiges Schmuddelheftchen. Unübersehbar platziert er es auf dem Beifahrersitz seines 500-PS-Mercedes. Perfekte Maskerade.

Er nickt kurz, dann verschwindet er im Hoffenheimer Nebel. Um 9:00 Uhr muss er beim Torwarttraining sein.

*(Name und Frisur geändert)

 
(Text wurde am 14.09.2012 veröffentlicht / Bild: MattJP / flickr.com / CC BY 4.0)
 

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