Exklusiv: Der Mann, der Christian Streich ist

Wenn Gideon von Böhme seine Christian-Streich-Maske abgelegt hat, dann verwechselt kaum noch ein Fußballfan den renommierten Theaterschauspieler mit dem Kulttrainer des SC Freiburg. Zum Interview-Termin in der edlen Hotel-Lobby des Fitzcaraldo erscheint er mit teurem Tweed-Jacket und einem zur Fliege passenden weinroten Einstecktuch. Das wohl artikulierte Hochdeutsch des Aristokraten fällt schon bei der Begrüßung auf. Keine Spur von Dialekt. Die Wochenendbeilage von Mutti, der Libero hat sich mit dem geheimnisvollen Mann getroffen, der Christian Streich ist – und sah dabei natürlich umwerfend aus.

Mutti, der Libero: Herr von Böhme, seit Dezember 2011 spielen Sie den Christian Streich in der Bundesliga. Wie sind Sie zu der Rolle gekommen?

Gideon von Böhme: Die Verantwortlichen des SC Freiburg waren auf der Suche nach jemandem, der dem Verein das passende Gesicht geben kann. Sie wollten einen sympathischen Underdog-Typen. Gleichzeitig sollte bei der Rolle die enge Verbundenheit mit der Region spürbar werden. Mein Agent rief mich an und fragte, ob ich mir das Angebot einmal anhören möchte, was ich bejahte. Dann nahmen die Dinge ihren Lauf.

Mutti, der Libero: Sie haben am Ernst-Busch-Seminar studiert, lebten einige Zeit in Städten wie New York, Madrid und Verona. Derzeit spielen Sie am Wiener Burgtheater den Hamlet. Wie haben Sie sich an den Christian Streich herangetastet?

Gideon von Böhme: Ungefähr drei Wochen lang habe ich gemeinsam mit dem Regisseur Bolle Leberwurst an diesem Charakter gefeilt. Wir mussten uns klar werden, wie sieht so jemand aus, wie bewegt er sich, wie spricht er und wie reagiert er auf das Öffentlichkeitsmilieu im Profifußball.

Mutti, der Libero: Am Ende kam dabei ein kauziger Sportlehrer im Trainingsanzug heraus, der den alemannischen Dialekt pflegt und mit dem Fahrrad zum Training kommt. Ganz schön plakativ.

Gideon von Böhme (spricht plötzlich wie Streich): Mir sin ganz klein. Ich sach nix! (er lacht laut auf.) Aber im Ernst: Wir haben uns oft gefragt, ob wir mit dem David-gegen-Goliath-Pathos nicht zu weit gehen. Ich war sogar dagegen, den Streich als Fahrradfahrer anzulegen, weil ich dachte, die Leute würden uns das nicht abkaufen. Alle kutschieren in der Bundesliga diese 500-Pferdestärken-Sportkarrossen und auf einmal kommt jemand mit Sieben-Gang-Nabenschaltung daher geradelt…

„Wir haben uns oft gefragt, ob wir mit dem David-gegen-Goliath-Pathos nicht zu weit gehen.“

Mutti, der Libero: Die Leute lieben offenbar genau diesen Gegensatz.

Gideon von Böhme: Grundsätzlich soll die Rolle immer wieder allgemeine Konventionen in Frage stellen und bewusst den Erwartungen nicht entsprechen. Streich soll für Irritationen sorgen. Das war unsere Bedingung bei den Verhandlungen mit dem SC Freiburg. Wir wollten die Figur nicht ohne künstlerischen Anspruch umsetzen.

Mutti, der Libero: Welche Herausforderungen liegen für Sie in der Rolle?

Gideon von Böhme: Bei „Wie sehr freuen Sie sich…“-Fragen der Reporter muss ich mir das Lachen gewiss manchmal verkneifen. Ich habe derartige Fragestellungen zuallererst für einen Nebeneffekt des Bachelor-Studiums gehalten. Aber auch ältere Journalisten schrecken vor solchen Torheiten nicht zurück. Aber als Christian Streich kann ich sie gnadenlos auflaufen lassen.

Mutti, der Libero: Gibt es andere Rollen, die Sie in der Bundesliga reizen?

Gideon von Böhme: Ich würde mich in naher Zukunft gerne an einem extrovertierten Ruhrgebiets-Charakter wie Horst Schimanski oder Jürgen Klopp versuchen. Letzteren spielt Sascha Hehn übrigens ausgezeichnet.

Mutti, der Libero: Was käme für Sie nicht in Frage?

Gideon von Böhme: Jegliche Rolle in der 2. Bundesliga. Zum einen mag ich es, vor großem Publikum zu spielen und zum anderen wäre es mit meiner Tätigkeit am Burgtheater nicht vereinbar. Wir haben am Montagabend immer Vorstellung.

Mutti, der Libero: Herr von Böhme, wir schämen uns für dieses Gespräch.

 

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